• Michael Keiner, gebildet, eloquent und ein Start am Pokertisch.

KundeLyceum Publishing, London

BLUFF EUROPE - deutschsprachig

Date April, 2007

Portrait: In der Ruhe liegt die Kraft
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Dragan Galic ist 35 Jahre alt, lebt in der Lüneburger Heide in Schneverdingen, nahe bei Hamburg, und er hat das Pokern zu seinem Beruf gemacht. 2006 hängte er als Servicetechniker bei BMW seinen Blaumann an den Nagel und beginnt ein entspanntes Leben: „Man kann sich die Arbeitszeiten selber aussuchen und verdient mehr Geld“, erzählt Galic.

Sein erstes Auto hatte der gebürtige Offenbacher bereits mit 17 Jahren. Das hatte er sich so zusammengebaut. „Den Motor habe ich Rahmen des zulässigen selbst getunt.“ Galic interessierte sich lange bevor er sich nach der Ausbildung auf die Feinmechanik bei Motoren spezialisierte für filigrane Motortechnik. Es scheint, das jeder seiner Schritte geplant gewesen ist. Seine Leidenschaft für Motoren hat er zu seinem Beruf gemacht und KFZ-Mechaniker gelernt. Weil ihn Technik schon immer interessierte, hat er sich dann im Job auf etwas Umfangreiches und Kompliziertes spezialisiert. Auf etwas, bei dem es auf mehr ankommt - als bloß auf Schrauben und Verschleißteile.

Bei BMW - Galic fährt bis heute keine andere Marke - entbrannte die Faszination für Motorsport. Im Rahmen seiner Arbeit und insbesondere wegen seines Fingerspitzengefühls in der Motortechnik baut er Beziehungen zum Rennsportteam von BMW auf. Hier erhält Galic die Chance, ein Modell der deutschen Tourenwagenklasse zu fahren. „Das war ein kleines Erlebnis, ein Highlight von wenigen Minuten.“ Er hat es einfach just for fun gemacht, ohne großartige Ambitionen. Eine Tugend des Kroaten? Er ist bescheiden, er ist Tüftler und kreativ.

Hier ist fast alles erlaubt

Eine andere Leidenschaft, die auf der einen Seite zwar auch mit Technik,  vielmehr aber mit Körperbeherrschung zu tun hat, entwickelte sich in der Schulzeit: Mit 14 fängt der gebürtige Offenbacher an sich für Tae-Kwon-Do zu interessieren, ein koreanischer Kampfsport, eine Sportart, die sehr auf Schnelligkeit, Dynamik und Selbstbeherrschung ausgelegt ist. Eine Sportart, bei der fast alles erlaubt ist - bei der Kopf und Oberkörper mit Protektoren geschützt werden. 14 Jahre blieb er dem Sport treu, legte eine Prüfung nach der anderen ab - bis hin zum braunen Gürtel. Nicht dass er danach keine Lust mehr hatte, nein, dem Sport war er erst einmal treu geblieben. Doch in und nach der Jugendzeit verändern sich die Interessen. Es ist auch nicht mehr so leicht, Erfolg zu haben. Er beginnt das Tae-Kwon-Do gelassener zu sehen und betreibt den Sport ausschließlich, um fit zu bleiben, um seinen Körper zu bilden, in einer Art persönlichem Fitnesstraining.

Snoker und Poker

Wo er während der Schulzeit beim Lernen, Training oder Spielen war, treten bei Galic später mehr und mehr gesellschaftliche Aspekte in den Vordergrund. Zusammen mit Freunden entdeckt er seine Begeisterung für Snooker. Hier lernt der 35-Jährige eine neue Form der Konzentration und Selbstbeherrschung kennen. Diese Art der Selbstbeherrschung und Konzentration begleitet ihn dann auch auf seinem Weg zum Poker. Wie schon in der Ausbildung, ist es der höhere technische Schwierigkeitsgrad, im Vergleich zu Billard, der ihn anzieht: das Spiel, das wegen der größeren Spieltische, der kleineren Kugeln und kleineren Taschen deutlich mehr Konzentration und Körperbeherrschung erfordert. Galic fuchst sich auch hier hinein und  bemüht sich sein Spiel zu perfektionieren. Doch wieder sind es die wankenden Interessen, die ihn von der absoluten Perfektion abhalten. Und „wenn man nicht dabei bleibt fällt man schnell zurück.“ Weiß Galic aus eigener Erfahrung zu berichten. „Irgendwann macht man das dann einfach nicht mehr. Übung macht den Meister.“

Um eine Erfahrung reicher beginnt Galic 2006 intensiver zu pokern. „Ich kannte die Regeln zwar schon früher, hatte bis dahin aber vielleicht nur einmal im halben Jahr die Karten in die Hand genommen. Das war’s.“ Dass man mit dem Spiel auch Geld verdienen kann, darüber hat der gelernte von Grund auf bodenständige KFZ-Mechaniker gar nicht nachgedacht. Als es in Deutschland mit dem Pokerboom losging habe er irgendwann einmal angefangen, ein wenig im Internet zu spielen und sich dort poe a poe ein bisschen gesteigert.

Neue Idole

Parallel war Poker plötzlich auch in seinem Umfeld immer häufiger ein nicht endendes Gesprächsthema. Sie unterhielten sich über Chris Ferguson, Phil Helmuth und die anderen Pokerpros, „und nahmen jetzt öfter die Karten selbst in die Hand.“ In dieser Phase freundet er sich mit dem Kasino Esplanade an und spielt dort diverse Turniere und Cashgames, erfolgreich. „2007 lief für mich richtig gut.“ In Hamburg und Schenefeld hat er nicht nur einmal gewonnen, sodass er sich Anfang diesen Jahres sein erstes internationales Turnier leisten konnte. Bei der Casinos Austria Poker Tour im Februar, in Bregenz, ist er im 300er Rebuy-Turnier mit dabei – und schafft es ohne Rebuy und Add-on bis zum Finaltisch. Dort saß er im Heads-up gleich einem der erfahrensten deutschen Poker Profis gegenüber: Eddy Scharf. „Das war schon ‚ne witzige Sache.“ kommentiert Galic – nicht übermütig, sondern respektvoll.

Sprachen einige hier von einer Überraschung, zeigt ein Blick auf seine Vita - nicht unbedingt. Wie andere erfolgreiche Pokerspieler hat der Offenbacher bereits in der Kindheit angefangen Schach zu spielen und ist mit Spieltechniken und Strategie bestens vertraut: wie man 2008 beobachten konnte, auch mit der Strategie von Karten. Ihn fasziniert die Vielfalt des Spiels. „Es ist ähnlich wie beim Schach. Du kannst taktieren, Du kannst slow oder aggressiv spielen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten wie man seine Gegner überlistet. „Man baut eine Falle auf, die dann zwei, drei oder vier Züge später auf einmal zuklappt.“ Ende 2006 hat Galic dann bei BMW in Hamburg gekündigt.

Das war keine einfache Entscheidung: Es war  nicht so, dass er das Ganze an die große Glocke gehängt und gesagt habe: „So, ich höre jetzt auf, Jetzt will ich nur noch Poker spielen.“ Der zweifache Familienvater musste abwägen, ob er mit Nebenjobs noch genug Sicherheit in petto hätte – für den Fall, dass es beim Pokern untergehen würde. Übung macht den Meister – im Laufe der Monate in denen er immer mehr Zeit dem Poker opferte, wurde er nach und nach immer erfolgreicher. „Heute ist es auch so, dass ich sage: Ich lebe definitiv nur noch von dem Kartenspiel.“ Galic bereut diesen Schritt keinesfalls. Im Gegenteil, er ist recht zufrieden mit seinen bisherigen Erfolgen, genießt die Freie Zeit zwischen den Turnieren und verbringt viel Zeit mit seinen beiden Kindern – wenn er in Schneverdingen ist, denn die sind ihm wichtig – auch wenn er geschieden ist und sie sonst bei seiner geschiedenen Frau leben.

Der Text ist auf in dem Fachmagazin BLUFF EUROPE - deutschsprachig erschienen.